Wenn Wissen geht – Wissenstransfer beim Onboarding und Offboarding

Wissenstransfer beim On- und Offboarding ist wichtig, um das Expertenwissen ausscheidender Mitarbeitenden im Unternehmen zu halten. Expert Debriefings sorgen dafür, dass dieser Wissenstransfer durch Moderation begleitet wird und in einem einheitlichen Prozess erfolgt.

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Luise geht Ende des Jahres in Ruhestand. 30 Jahre war sie im gleichen Unternehmen beschäftigt. Direkt nach der Ausbildung hatte sie damals dort angefangen. Gemeinsamt mit ihrem Arbeitgeber hat sie im Laufe der Jahre alle Höhen und Tiefen der Wirtschaft miterlebt. Ihre Job kennt Luise in- und auswendig. Sie kennt alle aktuellen und ehemaligen Kollegen und Kolleginnen, kennt die Liefereanten und alle Kunden. Sie kennt ihre Wünsche, Bedarfe, und ihre Eigenheiten. Alle Abläufe sind Luise bestens vertraut. In den Pausen erzählt sie gerne einen Schwank aus der turbulenten Geschichte des Unternehmens. Wenn Luise demnächst ausscheidet, geht ein großer Teil ihres Wissens verloren.

Wissensverlust bei Ausscheiden von langjährigen Mitarbeitenden, ist nicht ungewöhnlich. Wenn Mitarbeitende ihren Arbeitgeber verlassen, nehmen sie auch ihr Fachwissen mit. Gerade in Zeiten des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels gewinnt das Erfahrungswissen von Mitarbeitenden immer mehr an Bedeutung. Um diesen Wissensverlust zu vermeiden, ist ein systematischer Wissenstransfer vor dem Ausscheiden sinnvoll.

Wie dieser einmalige Wissenstransfer im Rahmen des Offboardings erfolgt, davon berichtet dieser Artikel.

Wissenstransfer ist ein wichtiger Bestandteil des Offboarding-Prozesses. Vor Allem langjährige Mitarbeitende haben einen enormen Erfahrungsschatz erworben. Dieses Erfahrungswissen soll vor dem Ausscheiden noch für das Unternehmen gesichert werden.
Optimalerweise findet der Wissenstransfer zwischen der ausscheidenden Person als Wissensgebenden und ihrem Nachfolger als Wissensnehmenden statt. In der Regel wird dieser Transfer-Prozess von einer begleitenden Person moderiert und geleitet. Diese sollte eine möglichst neutrale Position gegenüber beiden Wissenstransfer-Partnern haben. Falls die Nachfolge einer ausscheidenden Person noch nicht geklärt ist, kann der Wissenstransfer auch an ein oder mehrere andere Kollegen, oder aber auch nur an die Transferbegleitung erfolgen.

Ein systematischer Wissenstransfer bietet sowohl dem Unternehmen als auch den ausscheidenden und der nachfolgenden Personen Vorteile.

Vorteile von Wissenstransfer für Unternehmen:

  • Minimierung des Wissensverlusts
  • Strukturierte Wissensbewahrung
  • Kontinuität in der Aufgabenerfüllung
  • Das Rad muss nicht neue erfunden werden
  • Unterstützung bei der Einarbeitung von nachfolgenden Personen
  • Das Ausscheiden, bzw. die Trennung verläuft reibungsloser
  • Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit

Vorteile von Wissenstransfer für ausscheidende Person:

  • Wertschätzung und Anerkennung der Expertise
  • Selbstreflexion der persönlichen Entwicklung
  • Netzwerkpflege
    (Wissensnehmende können im Rahmen der Übergabe noch einmal Kontakt zu Lieferanten, Kunden und Geschäftspartnern aufnehmen)
  • Möglichkeit zur Einflussnahme, wie es mit dem eigenen Bereich weitergeht
  • Verbesserte Chancen auf dem Arbeitsmarkt
  • Erleichterung des Übergangs und Abschieds
  • Zukunftssicherung

Vorteile des Wissenstransfer für die nachfolgende Person

  • Schnellere Einarbeitung
  • Zugang zu erfolgskritischem Fachwissen
  • Vermeidung von Wissenslücken
  • Verbesserte Entscheidungsfindung
  • Effizienzsteigerung
  • Stärkung des Vertrauens
  • Identifikation von Verbesserungsmöglichkeiten:

Ein wesentlicher Faktor für einen erfolgreichen Wissenstransfer ist häufig die verbleibenden Zeit bis zum Ausscheiden. Kündigen Mitarbeitende selbst, verbleiben meist nur wenige Wochen, um das Know-how zu erfassen und zu dokumentieren. Bei anderen Ausscheidungsgründen, wie z.B. Ruhestand oder betriebsbedingte Maßnahmen kann der Abschied langfristig geplant und dem Wissenstransfer ausreichend Zeit eingeräumt werden. Je nach Ausscheidungszeitraum kommen unterschiedliche Methoden und Maßnahmen für den Wissenstransfer in Frage.

Damit Wissenstransfer im Rahmen des Offboardings gleichbleibend und möglichst reibungslos verläuft, ist es sinnvoll, einen standardisierten Wissenstransfer-Prozess festzulegen. Dabei gilt es grundsätzliche Rahmenbedingungen, Methoden und Umfang für den Offboarding-Wissenstransfers zu definieren.
Folgende Fragen helfen bei der Festlegung dieser Rahmenbedingungen:

  • Bei welchen Positionen und Berufsgruppen soll standardmäßige ein Wissenstransfer durchgeführt werden?
  • Ab einer Betriebszugehörigkeit von wie vielen Jahren ist pro Berufsgruppe / Position ein Wissenstransfer sinnvoll?
  • Sollen für langjährige Mitarbeitende umfangreichere Maßnahmen erfolgen als für Personen, die nur kurz im Unternehmen waren?
  • Wie unterscheiden sich die Wissenstransfer-Prozesse bei kurzfristigen Ausscheiden und langfristigen Ausscheiden

Wurden diese Rahmenpunkte festgelegt, kann ein Standard-Wissenstransfer-Prozess und Standard-Maßnahmen definiert werden.

Um das Know-how einer ausscheidenden Person zu übertragen und verfügbar zu machen, gibt es verschiedene Methoden. Zu den wichtigsten gehörende z.B.:

  • Expert Debriefings
  • Erstellung von Wissenslandkarte, Wissensbaum oder Wissens-Canvas
  • Erstellung von Mitarbeiterhandbüchern, Formularen, Mustern, Checklisten
  • Projektdokumentation
  • Erstellung von Kontaktverzeichnissen
  • Erstellung von Dokument- oder Dateiverzeichnissen
  • Podcasts und Audio-Aufnahmen
  • Lernvideos / Tutorials, Screencasts
  • Peer-to-Peer-Learning

Kern-Maßnahme beim Wissenstransfer im Rahmen des Offboardings ist aber das Expert Debriefing.

Expert Debriefing

Ein Expert Debriefing ist ein strukturierter Prozess, bei dem Experten ihr Wissen auf ein oder mehrere Personen übertragen und so ihr Know-how erfasst, dokumentiert und den nachfolgenden Personen und der Organisation zur Verfügung gestellt wird.

Expert Debriefings bestehen in der Regel aus drei Elementen:

  1. Strukturierte oder semi-strukturierte Interviews
  2. Die Erstellung einer Wissenslandkarte
  3. Festlegung von Transferaufgaben, die vor dem Ausscheiden noch zu erledigen sind.

Beteiligte Personen beim Expert Debriefing sind die ausscheidende Person als Experte und Wissensgebende, die nachfolgende Person oder Personen als Wissensnehmende, eine neutrale Person als Moderation oder Debriefer, sowie zeitweise die direkten Vorgesetzten und eine Person aus der Personalabteilung.

Das Expert Debriefing erfolgt in mehreren Phasen.

1. Vorgespräch / Kick-off:
In einem ersten Gespräch mit allen Beteiligten (Wissensgebenden, Wissensnehmenden, Moderator, direktem Vorgesetzten und Personaler) werden die Erwartungen, der Ablauf, einzelne Rollen, Aufgaben und Wünsche geklärt.

2. Auftakt mit Wissensgebenden:
Der Wissensgebende erstellt gemeinsam mit der Moderation eine Wissenslandkarte, in die alle Fachgebiete, Aufgaben, Tätigkeiten und Themen zu seinen Rollen als Experte dargestellt werden.

3. Auftakt mit Wissensnehmenden (falls vorhanden):
Im Gespräch mit dem oder den Wissensnehmenden erfasst die Moderation das bereits vorhandene Wissen, die jeweiligen Erwartungen und Wünsche an den Wissenstransfer.

4. Erstellung Transferplan und Feinabstimmung
Anhand der Wissenslandkarte und dem Feedback der Wissensnehmenden werden Transfermaßnahmen abgeleitet und ein Transferplan mit allen Aktivitäten und Maßnahmen erstellt. Der Transferplan wird anschließend mit allen beteiligten noch einmal abgestimmt. Dadurch wird sichergestellt, dass alle wesentlichen Punkte erfasst wurden und die ausgewählten Maßnahmen geeignet sind.

5. Umsetzung der Wissenstransfer-Maßnahmen
Die geplanten Maßnahmen werden nach und nach umgesetzt. Dabei wird die Umsetzung zeitweise durch Moderation begleitet. Kern des Transfers sind mehrere moderierte Übergabegespräche zwischen Wissensgebenden und Wissensnehmenden. Die Anzahl dieser moderierten Transfergespräche ist abhängig vom Umfang des Know-hows und der verbleibenden Zeit. Üblicherweise erfolgen mindestens drei moderierte Transfergespräche. Weitere typische Transfermaßnahmen sind z.B. die Erstellung von Kontaktverzeichnissen, Dokumentenverzeichnissen, Checklisten, Screencasts, kurze Video-Tutorials oder Podcasts.

6. Evaluation und Abschluss
In der letzten Phase wird geklärt, ob alle Maßnahmen abgeschlossen wurden, welche Aktivitäten noch im Nachgang zum offiziellen Transfer erfolgen müssen, und ob bei den Wissensnehmenden noch offene Fragen und Wissenslücken vorhanden sind. In einem Abschlussgespräch mit allen Beteiligten werden die Lessons Learned erfasst und der Wissenstransfer formal beendet.

Wissenstransfer beim Offboarding ist wichtig, um das Know-how ausscheidender Personen im Unternehmen zu halten. Durch einen festgelegten strukturierten Prozess und moderierten Expert Debriefings wird der Wissenstransfer standardisiert und kann in die Unternehmenskultur etabliert werden. Da Wissenstransfer und Expert Debriefings viele Vorteile für Unternehmen, ausscheidende Personen und Nachfolger haben, sorgen sie insgesamt für einen reibungslosen Übergang und einen wertschätzenden Abschied.


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